Zwischen Schönheit und Kommerz
Zwischen Schönheit und Kommerz
Ich melde mich wieder aus unserem Mietwagen zurück und komme gar nicht richtig zum Schreiben, da mein Überlebensinstinkt zu groß ist, um Daniel, mit dem ich die Zeit in Australien verbringe, unbeobachtet Auto fahren zu lassen. Auch für mich war es das erste Mal, ein Auto zu fahren, bei dem das Lenkrad rechts ist und so fühlt sich das Fahren eher an, als hätte man sich auf dem Oktoberfest ein Ticket für einen Auto-Scooter gekauft. Gleich in meiner ersten Kurve unterschätzte ich den Radius des Autos und donnerte falsch herum aus einer Einbahnstraße kommend und gasgebend über die Kante des Bürgersteigs. Das tat dem Auto zwar weh, machte aber irgendwie Spaß. Sozusagen wie wenn man mit seinem Auto-Scooter schadenfreudig gegen ein anderes Auto prallt. Das hat eben auch was. Ab da an passierte mir leider nichts derartig innerlich befriedigendes mehr, sondern nur noch kleine Lappalien wie das Aktivieren des Scheibenwischers beim Versuch zu blinken (die Dummen haben selbst diese Knöpfe falsch herum angebracht!) oder als Daniel und ich nach dem Pizza holen wieder ins Auto steigen wollten und gleichzeitig anfingen zu lachen, als wir bemerkten, dass wir beide auf der falschen Seite standen. Zum Glück haben die anderen Autofahrer aber immer Verständnis für unsere schlechte Fahrweise. Man munkelt, dass es an dem fetten, quietschgrünen Aufkleber „jucy car rent“ liegen könnte, welches sich nicht gerade unauffällig in die Landschaft einpasst, aber dazu gibt es noch keine offiziellen Studien, die uns mehr verraten könnten.
Trotz ständiger Adrenalinschübe und Überlebensängste aufgrund der Mischung aus Linksverkehr, Daniels Fahrstil und seinem Gesang versuche ich einmal, die Erlebnisse der letzten Tage in Worte zu fassen.
Nachdem ich nach den ganzen Flughafenstrapazen doch noch in Syndney ankam, gab es bei der Einreise keine weiteren Probleme, außer meine Frisur. „What did you do with your hair?!“ fragte mich die Beamtin ungläubig und schaute mehrmals abwechselnd auf mein Passbild und auf mich. Ich schmunzelte nur in mich hinein, denn abgesehen davon, dass ich keinen Schimmer habe, wie ich eine Dauerwelle auf Englisch erkläre, war es nicht das erste Mal in den letzten Tagen, dass mir diese Frage gestellt wurde. Nachdem ich eine Lösung gesucht hatte, auf Reisen gehen zu können, ohne meine Haare ständig im Gesicht hängen zu haben, hatte mir die Friseurin meines Vertrauenns eine Dauerwelle verpasst. Das war eine praktische Lösung, die – wie ich finde – sogar gar nicht mal so schlecht aussieht, aber eben ungewohnt wirkt. So ließ ich die Beamtin also in ihrer Verwirrtheit alleine und betrat endlich australischen Boden. Dabei fühlte ich mich nicht weniger glücklich als Armstrong sich gefühlt haben muss, als er als erster Mensch den Mond betrat.
Im Hotel traf ich dann sowohl auf Daniel, der schon ein paar Tage hier ohne mich verbracht hatte, als auch auf eine Riesen-Kakerlake, die sich gerade an einem Croissant zu schaffen machte. Wir sperrten sie in einer Verpackung mit dem Croissant ein und schliefen zu den wohltuenden Klängen der sich befreien wollenden Kakerlake ein.
Aufgrund des Jetlags fiel es auch nicht schwer, am nächsten Tag schon um 5:30 Uhr aufzustehen und in das nächste Uber-Taxi zu steigen, um zur berühmten Sydney Opera zu kommen. Dort hatten wir eine ganz interessante Führung, bei der mein persönliches Highlight das Frühstück war, welches in der Führung inklusive war.
Da dieser Tag aufgrund der Verspätung der erste und letzte in Sydney war, mussten wir noch alle Gutscheine rausballern, die Daniel über‘s Reisebüro gewonnen hatte und so ging es direkt im Anschluss an die Besichtigung der Oper zum wohl teuersten Touristenanziehungspunkt Sydneys, der uns normalerweise an die 300 Doller pro Person gekostet hätte: „Bridge Climbing“ über die Harbour Bridge. Zugegeben waren wir vorher schon ein bisschen aufgeregt, als wir von unten auf den höchsten Punkt der Brücke schauten, der sich auf schlappem 135 Metern über dem Wasser befindet. Auch das Equipment sollte auf einen harten und gefährlichen Anstieg hinweisen: Blaue Ganzkörperanzüge, ein Klettergurt, ein Headset und eine blaue Cap, auf der ein großes Bild der Brücke zu sehen war. Wie kleine Astronauten stapften wir nach einer Stunde Vorbereitungszeit also los und schnell wurde uns klar, dass das hier weniger mit Abenteuer zu tun hat, sondern der Weg darauf ausgelegt sein muss, dass selbst die unsportlichste Person es schafft, die 300 Dollar zu zahlen. Neben einigen wenigen steileren Treppen ging es in einem vom Guide vorgelegten Schneckentempo leichte Treppen hinauf. Unterbrochen wurden wir immer wieder einmal, wenn dieser Fotos von uns machen wollte, die wir dann beim Ausgang kaufen sollten. Dabei sagte er uns freundlicherweise immer genau, was wir auf dem Bild machen sollen: Daumen hoch, Arme ausstrecken, Peace-Zeichen machen (es waren gaaanz ungestellte Fotos!). Auf einem Gruppenfoto sollten wir dann den rechten Arm heben, was – wie ich später erfuhr – schön aussehen sollte, und nicht wie ich vermutet hatte uns Deutsche unserer Vergangenheit näher bringen sollte. Auch, als uns befohlen wurde, auf drei laut zu schreien, hatte ich eher das Gefühl, dass die anderen in der Gruppe den Schmerz über die 300 Dollar herausschrien, als wirklich ein Freiheitsgefühl zu spüren. Sie kamen mir eher vor wie die Kakerlake, die ihre Freiheit erlangen will, indem sie ununterbrochen versucht, gegen die Verpackung zu fliegen, aber nicht versteht, dass dieser Weg ihr nicht die Freiheit bringen wird. Trotzdem hatten wir eine sehr gute und belustigende Tour und die Aussicht war auch grandios. Von dem her war es eine Erfahrung, die wir gerne gemacht haben.
Dasselbe kann man auch vom Nationalpark Blue Moutains einen Tag später sagen. Zum Glück fanden wir einen Weg durch den Regenwald, der nicht so touristisch erschlossen und zugepflastert war. Dort war der Regenwald noch weitgehend unberührt und wir spazierten zwischen gigantischen Bäumen und Lianen unter dem Gesang zwitschernder Vögel im angenehmen Schatten der saftig grünen Blätter. Hier konnten wir nach der lauten Millionenstadt richtig gut abschalten.
Sobald wir wieder auf den Touristenpfaden waren, erschraken wir uns über die Perversität der Attraktion: Betonierte Aussichtspunkte, zu denen eine Straße gebaut wurde, auf denen im Minutentakt Busse voller Chinesen angeschart wurden, die laut gackernd einmal kurz ausstiegen und ein Selfie machten, ohne der gigantischen Natur auch nur eines Blickes zu würdigen. Auch dadurch, dass wir bei unserem Lunch im Restaurant vor Ort unser Essen ausschließlich mit Plastikgeschirr und Besteck serviert bekamen, wage ich zu unterstellen, dass beim Erbauen der Gondeln, Touristenpfade und Reastaurants andere Motive im Vordergrund standen, als der Erhalt und Schutz der wunderschönen und ursprünglichen Natur.
Umso schöner war es, dass wir diesem Kommerz für kurze Zeit entfliehen konnten und den Wald auf kleinen Pfaden erkundeten, um ihn in seiner Ursprünglichkeit bewundern zu können.
So, das waren sehr viele Erfahrungen in kurzer Zeit. Jetzt gehts weiter ins Hunter Valley, wo ein Winetasting auf uns wartet 🙂

Ein toller Anfang 👍😊