Erste Eindrücke von Malaysia – von Abenteuern, Insekten und Menschen
Nachdem ich nun weitergezogen bin, heißt mich Malaysia schon in den ersten Tagen mit seinen sehr herzlichen Menschen willkommen. Nach der „Small-Talk-Mentalität“ in Australien, die darin gipfelte, dass die Flugticket-Abpiepserin bei der Ausreise im Sekundentakt jedem vorbeikommendem Fluggast gelangweilt ein „How ya doing“ (wie gehts) entgegenschwallte, ist die gutmütige und aufmerksame Art vieler Menschen hier eine willkommene Abwechslung für mich.
Am Tag meiner Ankunft in Kuala Lumpur lege ich erst einmal einen Pause-Tag zum Akklimatisieren ein und mache es mir in meinem „Homestay“ gemütlich. In einem Haus am Stadtrand, in dem eine sehr liebevolle Familie mit drei flauschigen Katzen wohnt, beziehe ich das Zimmer, das ich über AirBnB gefunden habe. Der Vater, ein britischer Auswanderer, und dessen malaiische Frau sind sehr hilfsbereit und nehmen sich Zeit, mir weiterzuhelfen, wenn ich Fragen habe.
Um am ersten Tag in Asien jedoch nicht nur auf meinem Zimmer zu entspannen, sammle ich auf deren Empfehlung erste Eindrücke in der modernen Malawati Shopping Mall und am Abend auf lebhaften, rustikalen Märkten mit Foodtrucks, Lebensmitteln und Alltagsdingen. Obwohl die Dunkelheit schon über die Stadt hereingebrochen ist, steht die Hitze zwischen den Ständen. In der schwülen Luft mischen sich Gerüche von fettigem Streetfood, scharfen Gewürzen und Abwasserkanalisation und der Ruf des Muezzin übertönt das Knattern der Dieselgeneratoren, welche den Strom für das Licht der Stände liefern.
Als ich am Abend zurück in die ruhige Oase des Hauses komme, öffne ich Google Maps und erkunde mit meinem Zeigefinger das Satellitenbild der Umgebung. Sofort sticht mir ein naher Berg im Dschungel ins Auge und die Outdoorsport-App Komoot gibt an, dass es von meinem Haus aus um die zwei Stunden dauert, auf den Gipfel zu kommen. Um nicht an einem Hitzetod zu sterben, ist die Entscheidung schnell getroffen, in der Nacht aufzusteigen und als Krönung den Sonnenaufgang zu beobachten. Um sicherzugehen, ob der Berg überhaupt begehbar ist und wie es mit gefährlichen Tieren aussieht, erkundige ich mich bei den Gasteltern. Der Pfad sei zwar von der Regierung gesperrt worden, weil zu viele Menschen beim Stürzen gestorben sind, aber das sei eigentlich kein Problem (erst nachdem ich oben war, erfahre ich, dass damit der Nachbarberg gemeint war). Außerdem gebe es Schlangen und noch 250 Tiger in Malaysia, aber sie denken, dass das hier in der Nähe der Stadt weniger eine Gefahr darstelle. Na gut, das sind doch hoffnungsvolle Aussichten.
Um fünf Uhr morgens mache ich mich also auf den Weg. Die Stadt schläft an diesem Sonntagmorgen noch und ich begegne bis zum Fuß des Berges keiner Menschensseele. Dann, auf den ersten Metern Richtung oben, wird es stockdüster. Ein Glück, dass mir bei der Sicherheitskontrolle am Münchner Flughafen nicht auch meine Taschenlampe abgenommen wurde. An manchen Stellen würde es für Unerfahrene schon gefährlicher werden. Man muss Hände und Füße benutzen, um weiterzukommen und gleichzeitig darauf achten, den Weg auszuleuchten, um nicht aus Versehen auf eine Baumschlange zu greifen, die im malaiischen Dschungel wohl auch heimatlich sein soll. Einen kurzen Schockmoment habe ich, als plötzlich von hinten zwei Hunde auf mich zugerannt kommen. Ich leuchte ihnen abwechselnd mit der Taschenlampe in die Augen, damit sie Abstand halten, doch nach kurzer Zeit merke ich, dass sie nicht wirklich aggressiv sind und streichel sie ein wenig. Damit geben sie sich dann auch zufrieden und sie ziehen weiter den Berg hinauf (, um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen?).
Oben angekommen ergibt sich ein atemberaubender Blick. Die Bergkette teilt die Landschaft in zwei Teile. Rechts flimmern die goldenen Farben der Stadt in die Dunkelheit und links fließen die Konturen eines Flusses durch den unangetasteten, geheimnisvollen Dschungel, eingehüllt in dünne Nebelfäden. Wenn ich mich zwischen den beiden Extremen entscheiden müsste, würde ich zur linken Seite tendieren. Aber die in Gold leuchtende Stadt hat auch was… Die goldene Mitte hier auf dem Berg ist allerdings auch nicht schlecht. Aber entscheidet selbst:
Zu meinem Verwundern bin ich nicht ganz alleine hier oben. Auf einem Felsvorsprung sehe ich die Silhouette eines Menschen. Ich klettere hoch und erkenne nun mehr. Vor mir sitzt ein malaiischer Junge Mitte 20, der vor sich ein Stativ mit einer Profikamera aufgebaut hat. Wir begrüßen uns mit einem „Good Morning“. So langsam kommen wir ins Gespräch und da wir noch viel Zeit bis zu den ersten Sonnenstrahlen haben, überlegen wir gemeinsam, wie wir die faszinierende Landschaft perfekt mit der Linse einfangen können.
Was dann passiert, ist unbeschreiblich. Der Horizont färbt sich zu einem glühendem Rot, während sich die Nebelfäden langsam entflechten und Richtung Erdatmosphäre aufbrechen. Unter meinen Füßen, welche von einem Felsvorsprung baumeln, läuten die ersten Vogelschreie das Erwachen des Dschungels ein. Ein paar Minuten lassen wir uns zu dritt schweigend von dem Naturschauspiel überwältigen, denn einer der streunenden Hunde hat in der Zwischenzeit einen gemütlichen Platz neben mir gefunden. So langsam trudeln noch ein paar einheimische Jugendliche ein und da die Sonne bereits über den Horizont gewandert ist, treten Omik und ich den Rückweg an.
Unten mit verschwitztem T-Shirt angekommen fährt er uns in seiner Rostlaube, die aber zum Glück eine Klimaanlage hat, zu einem malaiischen Restaurant und lädt mich zu einer Verköstigung von einheimischem Frühstück ein. Das besteht aus einer Art Waffel-Fladenbrot mit Dreierlei an Curry und einem nicht ganz fertig gekochtem Ei, welches man aufschlägt, das glibbrige Zeug verrührt und dann aufschlürft, dazu ein heißer Kaffee mit Eiswürfeln (warum?!). Über eine Stunde lang unterhalten wir uns über Fotografie und einheimische Eigenarten und es ergeben sich sogar philosophische Gespräche über Liebe und Religion.
Da Sonntag der einzige freie Tag für ihn ist, nutzen wir seinen „Urlaub“ – wie er den den Tag nennt – aus und verabreden uns am Abend zum Foodmarket. Dort stopfen wir eine nicht zu identifizierende Spezialität nach der anderen in uns hinein und achten dabei nicht darauf, ob wir gerade eine Nachspeise oder schon wieder etwas Salziges in die Finger bekommen. Kommt ja im Magen eh alles zusammen… Den Flair des Markttreibens einzusaugen, ist eine sehr schöne Erfahrung.
Am nächsten Tag schlendere ich noch einmal durch die Stadt und setze mich eine Zeit lang in eine Moschee, um den Muslimen beim Beten zuzusehen und auch selbst in dem klimatisierten Raum ein bisschen Gedanken fassen zu können. Beim Besuch der Twin-Towers, die zwei bekanntesten Hochhäuser Kuala Lumpurs, komme ich aus Versehen in einen Hochsicherheitsbereich, indem ich einfach einen Aufzug nehme, weil ich ausprobieren will, ob ich damit ganz hoch komme. Als ich aussteige schaue ich in die verdutzten Gesichter der Sicherheitsangestellten, die mich über die Treppen hinunter begleiten Dabei begegne ich noch um die zwanzig weiteren Security-Leuten, die alle mit runzelnder Stirn dieselbe Reaktion zeigen. Also das mit der Sicherheit müssen die Malaysier noch einmal üben…
Auch die bekannteste Attraktion der Stadt, die Batu Caves besuche ich und erfreue mich dabei mehr an meinem Teleobjektiv, mit dem ich die Tourist*innen mit ihren Selfie-Sticks und die Affen, welche ihnen die frisch gekauften Souvenirs aus der Hand reißen, einfange, als an der Attraktion selbst.
Am Abend gegen 10 verabreden Omik und ich uns und ein paar seiner Freunde kommen auch. Mit einem „Grab-Taxi“, das ist das Uber Asiens, fahre ich eine halbe Stunde für umgerechnet drei Euro zum Treffpunkt. Es heißt, wir gehen in den Wald, um Insekten zu fotografieren. Darunter kann ich mir nichts vorstellen, also setze ich mich einfach wieder auf den Beifahrersitz und wundere mich über meinen neuen Freund, der während des Fahrens einen Film auf seinem Handy schaut. Als er merkt, dass ich irritiert schaue, meint er nur lachend: „It is all different here.“
Am Ort angekommen führt ein kleiner Weg durch den Wald und die Freunde strömen mit ihren Kameras mit Macro-Objektiven, Taschenlampen und Insektenfangnetzen in den Wald aus. Es ist irgendwie gruselig, ich muss andauernd an Baumschlangen denken und die Tatsache, dass es donnert und ab und zu ein heller Blitz den Urwald für eine Sekunde erhellt, macht das Ganze nicht unspannender. Erst weiß ich nicht, was Omik meint, als er sagt: „Be careful, some of them are empty.“ Spätestens auf der wackeligen Hängebrücke, die über einen Fluss führt, sehe ich dann, was er meint: An manchen Stellen sind in der Brücke keine Bretter mehr. Gut, dass ich eine eigene Taschenlampe dabei habe… Doch von der Anspannung ist bei den anderen nichts zu spüren. Sobald Omik ein Insekt gefunden hat, greift er einfach danach und setzt es mir, ohne mich zu fragen, auf die Hand. Anfangs ekele ich mich noch davor, aber sobald der anfängliche Schock überwunden ist, beginnt es mir Spaß zu machen. Nachdem ich eine persönliche Einführung in die Macro-Fotografie bekomme, gibt mir Omik seine Kamera und ich fotografiere ein bisschen selbst. Freundlicherweise fängt mir der kleine, nette Malaysier noch eine Art Cameleon, das seine Farben wechselt, indem er sich von hinten anschleicht und es am Nacken greift. Dann setzt er es auf einen Baumstamm, damit ich es fotografieren kann. Hier einige Fotos, die ich mit der Kamera gemacht habe:
Und ein paar mit dem Handy, dabei auch ein Scorpion:
Gegen 1:30 nachts verlassen wir den Wald wieder und gönnen uns unser verdientes Abendessen bei McDonalds. Um drei Uhr falle ich dann todmüde in mein Bett und träume von Insekten, Schlangen und den Abenteuern der letzten Tage. Unfassbar, wie freundlich mich das Land schon in den ersten Tagen aufgenommen hat. Beziehungsweise einige herzliche Menschen. Auch ich tendiere bei guten Erfahrungen gerne auf die Mentalität des ganzen Landes zu schließen…